Eindrucksvoll
thront das Taufbecken im romanischen Westchor von Nürnbergs ältester
Pfarrkirche. Sein ursprünglicher Standort befand sich allerdings,
ebenso wie der seines Vorgängers, zwischen den westlichsten Pfeilern
des Mittelschiffes, nahe an dem auch »Tauftüre« genannten
Marien-Portal. Über Jahrhunderte wurden durch dieses Portal Kinder
zur Taufe gebracht, darunter auch der wohl berühmteste Sebalder Täufling
? Albrecht Dürer (1471). Vermutlich erst im 19. Jahrhundert wurde
das Taufbecken an seinen jetzigen Standort versetzt und somit der Westchor
zu einer bis dahin nicht vorhandenen Taufkapelle gewandelt. Die Gemeinde
der Sebalduskirche versteht diesen exponierten Standort als Hinweis auf
die ökumenische Bedeutung des Taufsakramentes, das die gesamte Christenheit
vereint.
Das wohl von einem namentlich nicht bekannten Glockengießer geschaffene
Taufbecken ist mit seinem reichen figürlichen und ornamentalen Schmuck
ein herausragendes Beispiel spätmittelalterlichen Bronzegusses. Während
der Beckenkessel mehrmals erneuert wurde, ist das bronzene Taufbecken
mit Schale, Schaft und Fuß weitgehend original erhalten.
Die Schale ist mit insgesamt 21 Bildfeldern üppig geschmückt:
Dargestellt sind Christus als Weltenherrscher sowie eine Kreuzigungsszene,
da dem Römerbrief (6, 3ff) zufolge alle Getauften durch Christus
erlöst sind. Diese beiden Christusdarstellungen sind durch Arkaden
aus gotischem Maßwerk verbunden und zeigen Apostel (z. B. Andreas
mit den X-förmigen Kreuz und Petrus mit dem Schlüssel) sowie
Heilige (u.a. Katharina von Alexandria mit dem Rad und Barbara mit Kelch
und Hostie).
Auf dem Schaft finden sich 13 Felder: Christus inmitten der klugen und
der törichten Jungfrauen mit ihren Öllampen (Matthäus 25,
1-13). Das zwölfte Bildfeld zeigt erneut die Kreuzigung Jesu, während
das im 13. Feld befindliche vergitterte Türchen es ermöglichte,
das Taufwasser im Kessel durch heiße Kohle von unten zu temperieren.
Durch die Abbildung der weiblichen Heiligen auf der Schale und der klugen
Jungfrauen auf dem Schaft erhielt das Taufbecken Bezug zum Westchor, der
den heiligen Jungfrauen des Christentums geweiht war. Diese nahmen in
der Theologie des Mittelalters eine bevorzugte Position im Himmel ein.
Gleichzeitig verwiesen die klugen Jungfrauen auf die Taufe, wie ein Zitat
des antiken Kirchenlehrers Hilarius von Poitiers zeigt, der in seinem
Kommentar zum Matthäus-Evangelium schrieb: »Die Lampen also
sind das Licht der leuchtenden Seelen, welche durch das Geheimnis der
Taufe Glanz erhalten haben«.
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Vor dem Schaft
stehen vier plastisch ausgearbeitete Heiligenfiguren, die vermutlich als
Evangelisten zu deuten sind. Bei der vollständig erhaltenen Figur
dürfte es sich um einen Nachguss aus dem 16. Jahrhundert handeln,
die drei Plastiken ohne Unterarme hingegen stammen aus der Entstehungszeit
des Beckens. Ob ihre Arme und vielleicht auch Attribute bereits während
der Reformationszeit entfernt wurden, ist bislang nicht geklärt.
Zusammen mit
dem Sebaldusgrab aus der Werkstatt Peter Vischers (1519) bildet das Taufbecken
eine Achse im Mittelschiff der Kirche, die Menschen seit Jahrhunderten
Wiege und Bahre, Anfang und Ende des Lebens vor Augen führt. Gleichzeitig
unterstreichen beide Kunstwerke jedoch die christliche Hoffnung auf eine
Auferstehung, die mit der Wiege beginnt und weit über jede Bahre
hinausführt.
Figurenschmuck
des Taufbeckens
Auf dem oberen Ring dargestellte Heilige mit ihren Attributen, beginnend
bei der Kreuzigung (rechtslaufend):
- Kreuzigung
- evtl. Apostel
Matthias - Beil
- Apostel
Andreas - Andreaskreuz
- Hlg. Katharina
von Alexandria - Schwert und Rad
- Apostel
Bartholomäus - Messer
- Apostel
Thomas - Lanze
- evtl. Apostel
Simon Zelotes - evtl. Säge
- Hlg. Ursula
- Pfeil
- evtl. Apostel
Matthäus - Buch
- nicht identifizierbare
männliche Figur
- nicht identifizierbare
männliche Figur
- nicht identifizierbare
männliche Figur
- Jesus als
Weltenherrscher
- Apostel
Petrus - Schlüssel
- Paulus -
Buch und Schwert
- Apostel
Johannes - Kelch und Schlange
- Hlg. Dorothea
- Korb mit Rosen
- Apostel
Jakobus d.Ä. - Muschel
- evtl. Apostel
Judas Thaddäus - evtl. Keule
- Apostel
Philippus - T-Kreuz
- Hlg. Barbara
- Kelch und Hostie
Auf dem Schaft des
Taufbeckens findet sich gegenüber des Ofentürchens Christus
als Weltenherrscher, links von ihm die fünf klugen Jungfrauen, rechts
von ihm die fünf törichten Jungfrauen, gefolgt von der Kreuzigung.
Text: Petra Seegets
Erscheint am 01.11.2014
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